16. September 2011

Statistiken im Berliner Wahlkampf - Aufgepasst!

„Frank Henkel schaut sympathisch aus auf den Wahlplakaten der CDU. Und er kennt sich scheinbar echt gut aus, so wie er mit Zahlen umgehen kann“ ... So oder so ähnlich haben sich die Wahlstrategen den Effekt der großformatigen Wahlplakate mit ihrem Spitzenkandidaten wohl gedacht. Wir haben einigen der erwähnten Zahlen mal hinterher recherchiert und sind auf Abgründe gestoßen. Als Infografik-Agentur sind wir empört. Wer so respektlos mit Zahlen umgeht, hat es nicht besser verdient. Daher haben wir die fraglichen Plakate virtuell beschmiert, wir konnte nicht anders!


Entwickelt sich Berlin wirklich schlechter als andere Städte?


Diese Aussage bezieht sich auf die zehn größten Städte Deutschlands. Wir haben bei destatis.de Daten der Bundesagentur für Arbeit abgerufen. Die Überprüfung der These scheitert bereits bei der zweitgrößten Stadt Deutschlands. Übrigens: Berlin entwickelt sich bei der Arbeitslosigkeit prozentual sogar etwas besser als Baden-Württemberg. Deren Entwicklung findet aber natürlich auf niedrigerem Niveau statt. Aber die Aussage von Frank Henkel ist falsch.


Echt? So viele Straftaten in Bus und Bahn?


Wir mussten dieses Plakat zweimal beschmieren, weil es zwei Behauptungen enthält, die wir kommentieren möchten. Die Zahl der Straftaten „in Bus und Bahn“ ist in Wirklichkeit die Zahl der Straftaten im ÖPNV-Bereich. Darunter fallen auch Hausfriedensbrüche. Das kann auch einen Obdachlosen betreffen, der trotz Aufforderung durch das freundliche Sicherheitspersonal seine Bank nicht verlassen möchte. "In Bus und Bahn" jedenfalls ist falsch zitiert. Außerdem hat Herr Henkel verschwiegen, dass die Fallzahlen abnehmen, und zwar recht deutlich. Wir konnten nicht bis zum Start von Rot-Rot recherchieren, weil erst seit 2006 auch die Daten der Bundespolizei in die Statistik einfließen und vorher keine Vergleichbarkeit gegeben wäre mit dieser ansonsten richtigen Zahl.


Krass! So viele Polizisten eingespart?


Diese Recherche war die schwierigste. Herauszufinden, wie viele Polizisten das Land Berlin beschäftigt, ist nicht so einfach. Einzelne Zahlen aus der Parteienagitation finden sich zuhauf, aber Quellen gibt es nur wenige. Ein Artikel des Tagesspiegel (http://www.tagesspiegel.de/berlin/nachrichten/4566148.html) brachte uns darauf, dieser gewaltigen Zahl mal auf den Grund zu gehen und uns eine Quelle zu erschließen. Nach sehr langer Suche lieferte diese letzten Endes die CDU selbst. Peter Trapp, ein Abgeordneter der CDU, stellt Jahr für Jahr eine sog. Kleine Anfrage an den Innensenator. Die Antworten werden auf diversen CDU-Homepages als PDF veröffentlicht (zum Beispiel hier: http://www.cdu-fraktion.berlin.de/content/download/13897/207553/file/ka16-14056.pdf). Leider nicht für den gesamten Zeitraum von Rot-Rot, aber immerhin von 2002 bis 2009. Und beträgt der Beamtenschwund 701 Vollzeitstellen und nicht 4.140. Wir können nicht glauben, dass in den letzten Jahren über 3000 Beamten"verschwunden" sind. Woher sind also diese Zahlen?


Die sind ja die schlimmsten Schuldenmacher, oder?


Die Zahl stimmt natürlich. Zumindest, wenn man darüber hinwegsieht, dass zwischen 46% und 50% ein Unterschied besteht und wir wohlwollend anerkennen, dass dem Wahlvolk eine einfache und möglichst griffige Zahl präsentiert werden sollte. Das Problem: Da es sich um Wahlwerbung handelt, impliziert diese Zahl, dass die CDU es besser könnte. Sie hatte vor Rot-Rot ebenso viel Zeit, es zu beweisen. Man kann mit den historischen Umständen nach dem Mauerfall vieles erklären, aber 280% Schuldenanstieg sind keine schöne Eigenwerbung. Übrigens: Diese Zahl ist ebenfalls gerundet, aber erst an der letzten dargestellten Ziffer, wie es sich gehört.

Anmerkungen: Da die CDU die einzigen sind, die im derzeitigen Wahlkampf mit Zahlen (bzw. Statistiken) agieren, konnten wir auch nur auf diese Plakate eingehen. Wir fordern für zukünftige Plakate eine Angabe der Quelle!

Originale der Plakate:
bei facebook.com
und http://www.frankhenkel-cdu.de/